Folge 5: Die Welten (interne Bezeichnung: Jodo01)

Als die Helden wieder zu sich kamen, sahen sie sich Ilyvt und seiner neuen Freundin hotteen07.jpg gegenüber.
 "Na, ihr hirnlosen Idioten? Seit froh, daß ich euch entdeckt habe. Konnte euch im letzten Moment davor bewahren, von einem Metacrawler irgendeiner bescheuerten Suchmaschine gefressen zu werden. Ihr habt uns bei der Hochzeitsnacht gestört!"
 "Hochzeitsnacht?!?" riefen Marc und Claas gleichzeitig. Marc versuchte sich den Nachwuchs eines Sig-Virus und einer Schubbelvorlage vorzustellen, es gelang ihm aber nicht. Claas braute indessen einen Kamillentee.
 Ilyvt zog Marc beiseite: "Sag mal, kann das sein, daß Dein Freund da ein typischer Kamillentee-Junkie ist? Ich befürchte, das könnte noch einigen Ärger geben! Hey, Du $%&*!" rief er in Claas' Richtung, "hör auf, an meiner Frau rumzufummeln!"
 Claas grinste vieldeutig, zog eine Hand zurück und nippte weiter an seinem Kamillentee, während hotteen07.jpg ihn erbost anstarrte.
 "Können wir diese Sachen mal kurz vergessen?" fragte Marc. "Mich würde interessieren, wo wir hier gelandet sind!"
 "Ich habe euch in die Nähe einer OS/2-Seite gebracht. Erstens fragt die nie einer ab und zweitens haben wir hier einen guten Ausblick auf die Seite von WEB.DE!"
 "WEB.DE?!?" rief Marc aus und stieß Claas an, der einen Teil seiner Droge verschüttete und ein erbostes "Heeeh!" ausstieß.
 "Das ist doch die Geheimwaffe, mit der sich Gott unserem Zugriff entzieht. Vielleicht können wir sie zerstören und dann endlich nach dag° zurückkehren!"
 "So einfach ist das nicht. Es gibt noch genügend andere Web-Portals, durch die sich Gott einloggen könnte. Sobald wir eines kaputtmachen, macht irgendwo in den Weiten des I-Nets ein neues auf! Außerdem wäre das gegenüber den regulären Usern, die über ein Webportal posten, nicht ganz fair. Lass uns mal rübergehen - das heißt, wenn ihr bereit seit." sagte Ilyvt mit einem kurzen Seitenblick auf Claas, der kamillenteeberauscht vor sich hinsabberte und merkwürdige Lieder sang. "Naja, ersetze das 'bereit' durch 'breit'." seufzte der Sig-Virus.
 Also begaben sich unsere Helden zur WEB.DE-Seite, einem gutbesuchten Platz im Internet. Informationen aller Art rauschten an ihnen vorbei; sehr oft verschwand ein IP-Brocken durch einen besonderen Tunnel, der direkt ins Usenet führte. Marc kam kurz wehmütig der Gedanke in den Sinn, einfach hinterherzuspringen, verwarf den Einfall aber wieder, denn der Auftrag erschien ihm wichtiger. An der Seite angekommen, sah sich die Gruppe ratlos an.
 "Was machen wir jetzt?" fragte Marc.
 "Kamillentee brauen!" erwiderte Claas und packte seine Utensilien aus.
 "Ich schlage vor, wir warten ab, bis Gott nochmal postet und geben ihm dann eine volle Salve mit dem Tacker" sagte Ilyvt.
 "Ich wäre dafür, wir begeben uns irgendwohin, wo wir ungestört sind" säuselte hotteen07.jpg und schaute Ilyvt erwartungsvoll an!" Ilyvt dachte kurz nach und verschwand mit seiner Frau Richtung OS/2-Seite.
 So begannen unsere Helden, auf das Erscheinen von Gott zu warten.
 Nach ca. 12 Stunden stießen auch Ilyvt und hotteen07.jpg wieder zu ihnen. "Noch nicht aufgetaucht?" fragte ein sichtlich erschöpfter Sig-Virus, während seine Frau vergnügt vor sich hin lächelte. Wie auf Stichwort erschien der Ansatz eines Postings, das mit Worten solcher Dummheit und Ignoranz gefüllt wurde, daß ich sie hier nicht wiedergeben mag.
 "Das ist er!" rief Marc erregt aus.
 "Warten wir auf den Absender, bevor wir hier prophylaktisch einen armen eMail-Schreiber tackern!" warnte Ilyvt. "Obwohl das ganz lustig sein könnte!"
 Gebannt beobachtete die Gruppe, wie das Posting vervollständigt wurde. Schließlich erschien die "Unterschrift" auf dem Posting. Es bestand aus vier Buchstaben: "GOTT".
 Marc richtete den provisorischen Tacker aus und schoß mehrere Salven auf das Posting ab. Die Nägel durchschlugen das Posting und flogen weiter durch das I-Net. Irgendwo hörte man ein .doc-File empört und voller Schmerz aufschreien; auf einer Seite wurde das Java-Script vollständig zerstört; ein .mp3-File würde jetzt seinen neuen Besitzer mit einem Aussetzer beglücken. Irgendwo in einem Verteidigungsministerium glaubte ein Rechner nach Erhalt einer Fehlinformation, der dritte Weltkrieg sei ausgebrochen und nur mit Not konnte eine globale Katastrophe verhindert werden (die verzweifelten Verantwortlichen schalteten schließlich den Computer mit einer Axt ab). Die Löcher im Posting schlossen sich wieder und es verschwand ungerührt mit einem hämischen Seitenblick auf die Gruppe im Usenetkanal.
 "Und was jetzt?" fragte Marc Ilyvt.
 "*BUÖARPS*"
 Das Rülpsen erfüllte die Luft und ließ die Web-Seiten vibrieren. Claas schaute verwirrt auf. Irgendwo hatte er dieses Rülpsen schon mal vernommen.
 "Jungs, hier spricht das *börps* Orakel!" Ein Gluckern war zu vernehmen, als das Orakel eine Pause einlegte. "So einfach ist es nicht, ihr verdammten Deppen. Der einzige Weg, diesen Volltroll zu erledigen und das Usenet zu retten, besteht darin, sich in seine Welt zu begeben. Ich wette, ihr findet den Ausgang alleine, ich muß noch ein paar Dosen Bier killen! Ciao! *HUAAALLLPPP*"
 "Das war mal ein Orakel." grinste Ilyvt. "Bei solcher Unterstützung wundert es mich, daß ihr überhaupt so weit gekommen seit."
 "Wie kommen wir jetzt in die Welt dieses Trolls?" fragte Marc. "Wie sieht diese Welt überhaupt aus?"
 "Mir doch egal" antwortete Claas und nahm einen Schluck Kamillentee.
 Ilyvt sah sich um. "Eventuell funktioniert das ähnlich wie unser Ritt ins I-Net. Ausprobieren können wir es ja. Ich weiß auch einen Ort, wo besonders viel Traffic zur anderen Welt herrscht. Dieser Ort nennt sich T-Online. Kommt mit!"
 So begaben sich unsere Helden auf den beschwerlichen und langen Weg zu T-Online. Die merkwürdigsten Dinge bekamen sie zu Gesicht; sie sahen Orte, gegen die dasV wie ein gemütliches Pfadpfindertreffen wirkte; sie erspähten Sites, gegen die die Inhalte von "Liebesakt" wie ein Kindergeburtstag erschienen. Freundliches, bisweilen lustiges wechselte sich ab mit düsteren und gewalttätigen Orten, an denen das pure Chaos regierte. Schließlich erreichten sie T-Online; ein riesiges Gebilde, dessen Traffic so groß war, daß die Geräusche der hin- und herflitzenden Daten jegliche Kommunikation fast unmöglich machte.
 "Wie kommen wir jetzt weiter?" schrie Marc Ilyvt an, der ängstlich seine Frau festhielt.
 "Ich würde vorschlagen, ihr haltet euch an mir fest und ich versuche, mich an die nächste eMail zu klammern. Was dann passiert, weiß wahrscheinlich nicht mal die Usenet-Verwaltung!"
 Sie taten, wie Ilyvt vorgeschlagen hatten. Mit wachsendem Grauen schwebte die Gruppe unbehaglich in der Luft und sah sich um. Mit wahnwitziger Geschwindigkeit rasten eMails an ihnen vorbei. Jeglicher Versuch, sich an eines dieser Geschosse zu hängen, wäre gleichbedeutend mit Selbstmord gewesen. Ilyvt schaute verzweifelt nach allen Seiten. Schließlich erspähte er eine Mail, die sichtlich betrunken und sehr langsam durch das I-Net torkelte und schmutzige Lieder sang.
 "Jetzt oder nie!" schrie Ilyvt und sauste auf die angeheiterte Mail zu, die an einer Microsoft-Website kurz austrat und dabei gehässig ein gröhlendes Lachen ausstieß. Ilyvt schoss auf die Mail zu, schnappte eine der Ecken, während die Mail, offensichtlich zu betrunken, um die unerwünschten Gäste überhaupt zu bemerken, weiter schlingernd auf den Knotenpunkt zusteuerte.
 "Haltet euch gut fest!" schrie Ilyvt über das Getöse hinweg. "Das wird ein harter Ritt!"
 Die eMail hatte den Mittelpunkt des Knotens erreicht. Helle Blitze umzuckten die Helden. Der Raum schien sich zu weiten, um sich gleich danach wieder zusammenzuziehen. Ein gigantischer Tunnel öffnete sich und mit elektrischer Geschwindigkeit wurde die Mail in den Sog gezogen, wobei sie anfing, sich nach allen Seiten zu übergeben. Ein wildes Farbenspiel zog an der Gruppe vorbei; wurde schneller und schneller, bis ein plötzliches unwahrscheinlich helles Licht sie für einen Augenblick blendete.

 Jodo saß in seiner kleinen Dachwohnung und schmiss den Rechner an, um kurz seine eMails abzurufen. Neben ihm stapelte sich eine beträchtliche Anzahl Dosen "Rostocker Freibeuter", die ihm den Filmabend mit ein paar Freunden versüßt hatten. Nicht ganz zielsicher bewegte er den Mauszeiger auf den "Nachrichten abrufen"- Button. Er drückte den Mausknopf - und wurde von einer gigantischen Kraft quer durch den Raum befördert. Ächzend glitt er an der Dachbodenschräge herab und betrachtete verwundert die Gestalten, die sich verwirrt in seiner Wohnung umschauten.
 'Scheisse, ich muß das Saufen aufhören!' dachte er, nahm einen kräftigen Schluck "Freibeuter" und beschloss dann, die Dose ganz leer zu trinken. Danach rieb er sich die Augen und sah sich die komische Gruppe etwas genauer an. Neben zwei männlichen Gestalten mit ziemlich beschränkten Gesichtsausdruck stand ein nacktes, recht hübsches Mädel, daß einen roten Knubbel mit zwei Ärmchen und dem penetrantesten Grinsen auf dem Gesicht, das er je gesehen hatte, umklammert hielt. Zu ihren Füßen lag etwas wie ein riesiges Blatt Papier, das sich bemühte, sich irgendwie auf seinen Ecken aufzurichten und genauso besoffen erschien, wie Jodo sich fühlte. Dabei blitzte seine Oberfläche in einem elektrisch erscheinenden hellblauen Neonton. Als es die Bierdosen sah, krabbelte es zielstrebig auf den Haufen zu, schnappte sich eine volle Dose, öffnete sie mit einer Ecke und leerte sie auf einen Zug. Dann fiel es einfach um und grinste selig.
 "Was... was macht ihr hier?"
 Marc schnappte sich einen Stuhl und setzte sich erschöpft, während Claas die Regale nach Kamillentee absuchte. Ilyvt ergriff schließlich das Wort.
 "Tach auch! Wir kommen aus dem Use- bzw. Internet und haben hier eine Aufgabe zu erfüllen. Marc kann Dir die ganze Geschichte erzählen. Marc?"
 Marc seufzte und rasselte dann mechanisch die Einzelheiten sowie die Hintergründe ihrer Reise herunter. Je länger er zuhörte, desto mehr glaubte Jodo, total verrückt geworden zu sein - was ihn allerdings nicht besonders beunruhigte. Schließlich endete Marc und fragte: "Und wo sind wir hier?"
 Jodo sagte es ihm. Ein Ausdruck des Entsetzens erschien auf den Gesichtern seiner neuen Freunde. hotteen07.jpg ließ Ilyvt fallen; die eMail, die schlagartig erwacht war, als sie den Namen des Ortes hörte, übergab sich und fiel wieder ins Delirium. Fassunglos starrte der Rest der Gruppe Jodo an. Wie aus einem Munde wiederholten sie das ungehörige Wort, das sie soeben vernommen hatten:
 "BIELEFELD?!?"