"Starship Troopers bekanntmachung im bundesanzeiger...."
Pr. 460/98
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften

Entscheidung Nr. 4881 vom 10.03.1999
bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 62 vom 31.03.1999
 
 
Antragsteller: Verfahrensbeteiligte:
Stadt Frankfurt Buena Vista Home Entertainment
Jugend- und Sozialamt Kronstadter Straße 9
Jugendschutz 81677 München
Amt 51
60275 Frankfurt/Main
Az.: 51.16 schu

 

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat in ihrer 478. Sitzung vom 10. März 1999 an der teilgenommen haben:
 
von der Bundesprüfstelle:
Stellvertretende Vorsitzende Oberregierungsrätin Dr. Bettina Brockhorst
als Beisitzer der Gruppe:
Kunst Grafikerin Johanna Wunderlich
Literatur Schriftstellerin Thea Graumann
Buchhandel Dipl.-Kaufmann Klaus Doll
Verleger Justitiar Jochen Stiebeling
Träger der freien Jugendhilfe Dipl.-Soziologe Wilfried Pohler
Träger der öffentlichen Jugendhilfe Niemand
Lehrerschaft Lehrerin Ingrid Schwaar
Kirche Lehrerin Margitta Neuwald-Golling
Länderbeisitzer:
Berlin Dipl.-Pädagogin Dr. phil. Ilse Kokula
Brandenburg Lehrer Detlef Snaga
Bremen Dipl.-Pädagogin Annette Ortlieb
Protokollführerin: VAe Ingrid Aufmkolk
Für den Antragsteller: Niemand
Für den Verfahrensbeteiligten: Niemand
beschlossen: Der Videofilm
"Starship Troopers"
Buena Vista Home Entertainment,
München
wird in die Liste der jugendgefährdenden Schriften eingetragen.
 
S a c h v e r h a l t

Der Videofilm "Starship Troopers" wird von der Firma Buena Vista Home Entertainment, München, vertrieben. Der 1996 in den USA produzierte Film hat in der Videofassung eine Laufzeit von ca. 120 Minuten. Regie führte Paul Verhoeven; Darsteller sind u.a. Casper Van Dien, Dina Meyer, Denise Richards und Jake Busey.

Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) lehnte am 03.12.1997 (Prüf-Nr. 78 783-K) eine Jugendfreigabe des Filmes (Lauflänge Kinofilm: ca. 129 min.) ab.
Darüber hinaus wurde der Film von den Vertretern der Filmwirtschaft auch nicht zur Kennzeichnung "nicht freigegeben unter 18 Jahren" vorgeschlagen. Im Berufungsausschuss (Datum und Aktenzeichen des Beschlusses unbekannt) erhielt der Film dann das Kennzeichen "nicht freigegeben unter 18 Jahren".
Eine um 2 1/2 Minuten gekürzte Version des Filmes (offizielle Laufzeitangebe: 127 min.) wurde dem Arbeitsausschuss der FSK am 06.01.1998 vorgelegt. Die Kennzeichnung "freigegeben ab 16 Jahren" wurde trotz der Schnitte abgelehnt. Der Film erhielt in dieser Version ebenfalls die Freigabe "nicht freigegeben unter 18 Jahren".

Der Bundesprüfstelle hat zur Prüfung allen Anzeichen nach die ungekürzte Fassung des Filmes vorgelegen. Zwar ergibt die Umrechnung der hier gemessenen Videofilmminuten auf die Kinospielfilmminuten weder die Laufzeit von 129 noch die von 127 Minuten.
Festzustellen ist allerdings, dass die in der Schnittliste zur zweiten Fassung beschriebenen Kürzungen nicht vorgenommen wurden, so dass es sich um die Langfassung von "Starship Troopers" handelt.

Das Stadtjugendamt Frankfurt/Main beantragt die Indizierung des Videofilms, da sein Inhalt jugendgefährdend i.S.v. § 1 Abs. 1 GjS sei. Zur Begründung seines Indizierungsantrages führt der Antragsteller aus, dass der Film geprägt sei durch massives, exzessives Töten für eine "gute Sache" ohne jegliche Hemmschwelle oder Skrupel. Verstärkt werde das Ganze durch entsprechende Soundeffekte und menschenverachtende Kommentare. Andere Mittel als die Lösung durch Gewalt würden erst gar nicht in Erwägung gezogen. Aufgrund seiner verrohenden, gewalt- und kriegsverherrlichenden Wirkung solle der Film indiziert werden.

Die verfahrensbeteiligte Firma wurde form- und fristgerecht davon in Kenntniss gesetzt, dass über den Indizierungsantrag in der Sitzung vom 10. März 1999 entschieden werden soll. Sie hat sich nicht geäußert und nahm auch nicht an der mündlichen Verhandlung teil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prüfakte sowie den des Videofilm Bezug genommen. Die Mitglieder des 12er-Gremiums haben den Videofilm in voller Länge und bei normaler Laufgeschwindigkeit gesichtet.

G r ü n d e

Der Videofilm "Starship Troopers", Buena Vista Home Entertainment, München, ist antrags gemäß zu indizieren.

Sein Inhalt ist geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren, wie das Tatbestandsmerkmal "sittlich zu gefährden" in § 1 Abs. 1 Satz 1 GjS nach ständiger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sowie höchstrichterlicher Rechtsprechung auszulegen ist.

Zum Inhalt des Filmes:
"Starship Troopers" ist ein Science-Fiction-Film mit allem, was dazu gehört:
Die Menschheit bewohnt den Weltraum ebenso wie die Erde, die Fortbewegung mit Raumgleitern und Flugschiffen ist etwas alltägliches, die Jugend läßt sich wie selbstverständlich zu Weltraumsoldaten ausbilden, weil nur das sprichwörtliche "Einer für alle - alle für einen" im Sinne des Gemeinwohls ist. Das soldatische Pflichtbewußtsein wird schon bald herausgefordert, denn aus einer anderen Galaxie droht Gefahr: Hausgroße Killerinsekten versuchen, das Weltraumterritorium der Menschen einzunehmen und zu zerstören. Um dieses Thema dreht sich der ganze Film: Auf der einen Seite harter, militärischer Drill, mit der die Jugend zu kompromisslosen Kämpfern herangezogen wird, auf der anderen Seite die zahlreichen, oft im Massaker endenden Kämpfe gegen die Killerinsekten.

Die Sichtung des Videofilmes "Starship Troopers" in der mündlichen Verhandlung vom 10.03.1999 ergab, dass von dem Videofilm "Starship Troopers" eine verrohende Wirkung ausgeht. Das 12er-Gremium stellte fest, dass der Film alle Elemente enthält, die nach den Erkenntnissen in der Wirkungsforschung über mediale Gewaltdarstellungen Brutalität fördern bzw. ihr entschuldigend das Wort reden.

Die Wirkungsforscher GROEBEL und GLEICH (Analyse der Gewaltprofile von ARD, ZDF, RTL, SAT 1, Tele 5, PRO 7. Landesanstalt für Rundfunk/Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), 1992 S. 6f, S. 20f) geben den Stand der Wirkungsforschung zusammenfassend wie folgt wieder:
Gewaltdarstellungen bewirken im wesentlichen eine Verstärkung oder Konstituierung angstbesetzter und aggressiver Weltbilder, die aufgrund fehlender unmittelbarer Erfahrungen der Rezipienten nur schwer korrigiert werden können. Durch mediale Gewaltdarstellungen wirkt das gesellschaftliche, ohnehin schon eskalierende Aggressions- und Gewaltpotential noch bedrohlicher, als es tatsächlich ist. In diesem Zusammenhang wird der Glaube an die Angemessenheit aggressiver Konfliktlösungsstrategien genährt.
Die Autoren kommen an anderer Stelle zum Schluß:
"Die eine "Beweisstudie" zu fordern geht .... an der wissenschaftlichen Realität vorbei. Den noch ist das Wirkungsbild sehr viel eindeutiger als in der Öffentlichkeit und auch in manchen Lehrbüchern häufig dargestellt. Fast alle bislang wissenschaftlich durchgeführten (d.h. empirisch kontrollierten) Untersuchungen demonstrieren einen kurzfristig eindeutigen Verhaltenseffekt von Fernsehgewalt und eine längerfristig zumindest noch überfällige Korrelation zwischen der Menge der Fernsehgewalt und aggressiven Tendenzen." (zit. nach: GROEBEL & GLEICH: Gewaltprofile des deutschen Fernsehprogrammes. Opladen 1993, S. 24f.).

Von besonderer Bedeutung für die Einschätzung möglicher langfristiger Wirkungen von Mediengewalt ist eine Langzeitstudie des britischen Medienforschers BELSON.
BELSON untersuchte an einem repräsentativen Sample von 1565 männlichen Jugendlichen die Beziehung zwischen dem langfristigen Konsum von Fernsehgewalt und Einstellungs- bzw. Verhaltensänderungen. Die Ergebnisse stellen unter Beweis, daß der langfristige Konsum spezifischer Formen von Fernsehgewalt eine Zunahme interpersonaler Gewalt begünstigt. Dieses gilt insbesondere für a) Filme, in denen enge persönliche Beziehungen ein Hauptthema bilden und in denen verbale und psychische Gewalt gezeigt wird: b) Filme, in denen Gewalt um ihrer selbst willen gezeigt wird; c) Filme, in denen fiktive Gewalt in realistischer Weise gezeigt wird; d) Filme, in denen Gewalt im Dienste einer "guten Sache" gezeigt wird... .
BELSON führt die Feststellung, daß hoher Konsum von Fernsehgewalt mit häufiger Verwicklung in Gewalttätigkeiten verbunden ist, auf einen unbewußt erfolgenden Desensibilisierungsprozeß zurück. Mit diesem geht eine Enthemmung, d.h. ein Abbau der Schranken, violentes Verhalten zu zeigen, einher. (vgl. KUNZCIK: Gewalt und Medien, Köln 1994, S. 118f.).

Schon die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft hat in ihrem für die vorliegende Version des Filmes "Starship Troopers" gültigen Vortum davor gewarnt, dass die "Dichte der Tötungshandlungen, unterstützt durch eine Reihe äußerst gezielt eingesetzter Specialeffekts, eine Übererregung bzw. Verrohung von Kindern und Jugendlichen" befürchten läßt.
Sie rekurriert in diesem Zusammenhang auf die detailliert geschilderten Gewalttaten, deren blutiges und oftmals tödliches Ende geeignet ist, voyeuristische Interessen zu befriedigen.
In der Tat zele briert der Film zahlreiche Todeskämpfe einzelner Soldaten, aber auch Massenschlachtereien, wartet auf mit ausgiebigen Kamerafahrten über abgetrennte Körperteile und zerstörte Körper, und widmet sich eingehend anderer Grausamkeiten, wie z.B. dem Heraussaugen des Gehirnes eines Opfers, nichts verharrt in der Andeutung, alles wird in Endgültigkeit und bis zum Exitus genüßlich ausgemalt.

Dem Aspekt der verrohenden Wirkung gesellt sich der eine kritisch zu sehenden nationalen Pathos' hinzu: Nach Auffassung des Kritikers der Filmzeitschrift "filmdienst" (fd 32966) ge mahnt "Starship Troopers" an einen "Kultfilm für Rechtsradikale". Dabei sei es nicht allein die Kopie nationalsozialistischer Führungsstrukturen und die kaum abgewandelte Benutzung von Nazisymbolen und -rängen, die unangenehm auffalle, sondern die Gesinnung des ganzen Films. Der Zuschauer erfahre nie genaueres über die politische Situation, doch auch im ideo logisch und gesellschaftlich luftleeren Raum des Films vermögen sich die plakative Gewaltphilosophie, die undifferenzierte Obrigkeitshörigkeit und die Propagierung des Kampfes bis zum letzten verführerisch genug ausbreiten.

Den erörterten Aspekten der Jugendgefährdung steht die Kunstfreiheit gegenüber.

Die Abwägung der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG mit dem Jugendschutz führt dazu, dass im Fall von "Starship Troopers" dem Jugendschutz der Vorrang einzuräumen ist. Das Ergebnis der Abwägung gründet sich auf die Tatsache, dass der Propaganda für Nationalismus und soldatischer Hingabe für das Vaterland sowie der verrohenden Wirkung des Filmes nur wenig entgegen zu setzen ist, was den Kunstwert des Filmes erhöhen könnte.

"Starship Troopers" hat trotz erheblichen Produktionsaufwand nur mäßige Kritiken erfahren.
Die Behauptung, der Film zeige extreme Gewaltdarstellungen, glorifiziere den Militarismus und weise xenophobe Tendenzen auf, wird von zahlreichen weiteren Kritikern aufgestellt.
Wie vernichtend das Urteil der Zeitschrift "filmdienst" ausfällt, ist bereits angedeutet worden.

Unter der Internet-Adresse "www.arena.de/filmtaps/archiv" resümiert ein anderer Kritiker namens Jekubzik: "Der Spaß, unglaublich platte Barbie-Gesichter aus Serien wie "Melrose Place" in sehr blutigen Space-Gemetzel zu sehen, hält nicht lange vor. Diese sogenannte Sati re wurde hinzugemixt in der Hoffnung, dass das Mäntelchen "Ironie" das allzu dreiste Kriegstreiben beschönigen kann. Und einige Zuschauer übernehmen die Entschuldigung sogar dankbar."

Dass einiges an dem Film als Satire gedacht war, indessen den Zuschauer selten erreicht, wird in fast allen Kritiken angemerkt. Satirische Seitenhiebe machen sich folgerichtig nur dort bemerkbar, wo Werbespots - müde Anleihen an einen der früheren Filme Verhoevens, nämlich "Robocop" - eingespielt werden.
Zu den die Unernsthaftigkeit des Filmes spiegelnden Kuriosa gehört das Superinsekt "Brain-Bug". Doch auch solche Hinweise auf die Unwirklichkeit des Geschehens haben keinen Kritiker dazu bringen können, den Aspekt der Satire als filmbeherrschend einzustufen. Denn das Gemetzel an Menschen ist zu realitätsnah und auf Blut- und Ekeleffekte spekulierend präsentiert. Der blutige Tod ist es, der das Augenmerk der Zuschauer auf sich zieht.
Dass ihn virtuelle Insekten bringen, tritt angesichts der grausamen Enzelheiten in den Hintergrund.

Robert Rothen, ein Kritiker aus dem englischsprachigen Raum, befasst sich mit dem nationalistischen Gehabe der Soldatenkinder aus "Starship Troopers" und glaubt, dass der satirische Umgang mit Militarismus gerade bei einem jugendlichen, von Krieg und Kriegsfolgen unbehelligten Publikum ins Leere geht (Internet-Adresse www.lariat.org/AtTheMovies/starship. html). Er hält "Starship Troopers" für ein geeignetes filmisches Mittel, Jugendliche für den Militärdienst zu rekrutieren.

Selbst die "VideoWoche" (Nr. 27/98), die als Werbeträger für die Vermarktung von Videos üblicherweise die positiven Seiten eines Filmes hervorhebt, spricht von einem "Bonbonbunten Gewaltmarathon voll rabenschwarzen Zynismus, gegen den sich alle anderen Alieninvasionsfilme der vergangenen Jahre wie pazifistische Problemfilme ausnehmen."

"Starship Troopers" ist somit selbst in der Kunstszene nicht unumstritten, und seine Wirkung stufen Filmkritiker von "fraglich" bis "jugendgefährdend" ein.

Ein Fall von geringer Bedeutung gemäß § 2 GjS konnte wegen der Schwere der von dem Videofilm ausgehenden Jugendgefährdung nicht angenommen werden. Darüber hinaus liegen Angaben über den Umfang des Vertriebes, die die Annahme eines Falles von geringer Bedeutung begründen könnten, nicht vor. Die Verfahrensbeteiligte hat hierzu nichts vorgetragen.
Der Film wird in den einschlägigen Fachzeitschriften beworben. Es ist daher davon auszugehen, daß er ein breites Publikum anspricht. Der Gefahr, dass Kinder oder Jugendliche Zugriff auf den Videofilm nehmen könnten, ist durch die Indizierung vorzubeugen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung kann innerhalb eines Monats ab Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz 1, 50667 Köln, Anfechtungsklage erhoben werden. Die vorherige Einlegung eines Widerspruchs entfällt. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung. Sie ist gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesprüfstelle zu richten (§§ 20 GjS, 42 VwGO).

Dr. Brockhorst