Arac Attack
Original-Titel: Eight legged freaks
Herstellungsland: USA 2002
Regie: Ellory Elkayem
Buch: Ellory Elkayem
Jesse Alexander
Michael B. Valle
Darsteller: David Arquette
Kari Wuhrer
Scott Terra

Es gibt auf diesem Planeten eine in verwirrender Vielfalt auftretende Tierart, die wahrscheinlich mehr Herzinfarkte ausgelöst hat als die Ergebnisse des internationalen Aktienmarktes. Gelegentlich reicht ein eher unscheinbares Exemplar aus, um eine ganze Gruppe von Menschen in Panik zu versetzen. Das typische Erscheinungsbild des durchschnittlichen Arachnoiden ist genauso bizarr wie seine Lebensweise. Oft spinnt er ein Netz, um seine ahnungslose lebendige Beute zu fangen, um dann auf den gefangenen Körper zuzuschnellen, zu betäuben und bei lebendigem Leib in einen Kokon zu hüllen. Dabei wird eine Flüssigkeit injiziert, die die Nahrung verflüssigt, denn Spinnen haben kein Verdauungssystem im üblichen Sinne.
Nicht alle Exemplare sind Anhänger dieser hinterhältigen Art der Nahrungsgewinnung. Es existiert eine Gattung, die, in dunklen Bereichen versteckt lauernd, sich blitzschnell auf ihr Opfer stürzen und in ihr Nest zerren. Nebenher frönen einige Arten der von uns nicht sehr geschätzen Eigenart des Kannibalismus. Manches geschlechtsreifes Männchen überlebt den ersten Paarungsakt nicht, weil das angebetete Weibchen der Meinung ist, wenn der notgeile Kerl schon keine Alimente zahlt, soll er wenigstens auf andere Art und Weise für den Unterhalt seiner Nachkommen aufkommen (älteren Männchen gebührt also unserer Respekt, hat er doch den Bogen des Geschlechtsaktes ohne Folgen heraus). Allen von mir bisher näher untersuchten Abkömmlingen der Gattung ist eine Form der totalen Verblödung gemein, die selbst den cleversten, zu beachtlicher Größe herangewachsenem Vertreter seiner Spezies dazu veranlaßt, direkt neben meinem Fuß in einem gut beleuchteten Bereich wie erstarrt anzuhalten und auf meine Reaktion zu warten (mittlerweile bin ich davon abgekommen, die sporadische Anwesenheit der typischen Kellerspinne in meiner zum Teil unterirdisch gelegenen Behausung durch einen kräftigen Tritt zu beenden; statt dessen fange ich sie behutsam ein und verfrachte sie in die Freiheit. Wie es der Zufall so will, ist mir gerade nach meinem Besuch in "Arac Attack" ein sehr betagtes Weibchen - erkennbar am nicht mehr schwarzen, sondern grauen Erscheinungsbild sowie der geradezu gigantischen Größe - in die Quere gekommen. Sie fristet nun ihr Dasein in einem zunächst provisorischem Terrarium in Form einer mit Gazénetz abgedeckten Schüssel und scheint sich sehr wohl zu fühlen - im Gegensatz zu ihrem frisch gebackenen Herrchen, das sich fragt, ob dies eine neue Form seiner Therapie gegen irrationale Spinnenangst ist. Wer so einen Veteranen, der immerhin zwölf Jahre alt sein kann, einfach zermanscht, sei meiner Verachtung gewiß. Sollte mein Biest allerdings auf die Idee kommen, sich sinnlos zu vermehren, fliegt die Schlampe 'raus!).

Einige Filmemacher haben in der Vergangenheit bereits die Urangst mancher Zeitgenossen vor den achtbeinigen, faszinierenden und äußerst interessanten Viechern ausgenutzt, um uns das Fürchten zu lernen. In "Tarantula" von Jack Arnold metzelte sich eine auf Einfamilienhausgröße mutierte Tarantel durch ein Wüstenkaff, um schließlich von Clint Eastwood eingeäschert zu werden. "Kingdom of the Spiders" mit "Star Trek"-Ikone William Shatner schilderte den Angriff einer ganzen Horde von Vogelspinnen auf die typische Kleinstadt als eine Art Variante von Hitchcocks "Die Vögel". Der letzte auch an den Kinokassen erfolgreiche Beitrag zum Genre des Achtbeinerterrors namens "Arachnophobia" präsentierte sich als Mischung aus Komödie und Horror, die sich selbst nicht besonders ernst nahm und trotzdem manche Szene bot, die den Spinnenphobiker aus dem Kinosessel katapultieren konnte.

[Die Anmerkungen, auf die die Zahlen in eckigen Klammern verweisen, müssen nicht unbedingt gelesen werden, um die Kritik zu verstehen. Dort greife ich Aspekte oder Szenen des Films auf, um meine Ansicht zu verdeutlichen. Allerdings wird in den Anmerkungen massiv gespoilert!]

Ellory Elkayem, der Mitautor und Regisseur von "Arac Attack", will seinen filmischen Beitrag als Hommage an das Horror- und SF-Kino der 50er Jahre verstanden wissen. Die Story ist denkbar einfach: Durch Giftmüll zu ungewöhnlicher Größe mutiert, überfällt eine Bande Arachnoiden, aus den unterschiedlichsten Arten zusammengesetzt, das genretypische Wüstenkaff. Das klingt langweilig und wäre es wahrscheinlich auch, würde sich der Streifen selbst absolut ernst nehmen. Elkayem macht sich erst gar nicht die Mühe, gängige Klischees zu vermeiden, sondern zelebriert sie geradezu. So ist selbstverständlich die Kleinstadt vom Ruin bedroht, der Bürgermeister ein korrupter Machtmensch, der Held (David Arquette, der seit "Road Racers" von Rodriguez bei mir unter Naturschutz steht) ein zurückgekehrter Einheimischer, der die Stadt wieder hochbringen und außerdem seine Jugendliebe in Form des resoluten weiblichen Sheriffs Sam (dargestellt von Erotik-Sternchen Kari Wuhrer, über die die AMDb folgendes außergewöhnliche Merkmal zu berichten weiß: "Has breast implants") erobern möchte. Dem Kind, das die Gefahr, die der Stadt droht, als erstes erkennt, glaubt selbstverständlich keiner.
Gemäß der Orientierung an die Filme der 50er Jahre, die erst einmal die Hauptpersonen vorstellten sowie ihre Beziehungen untereinander deutlich machten, bis es richtig ans Eingemachte ging, beginnt der Film ruhig und ohne besondere Höhepunkte, so daß fast gepflegte Langweile aufzukommen droht. Es dauert jedoch nicht lang, bis die Monster schließlich mit geradezu fröhlich-ausgelassener Begeisterung die Jagdsaison eröffnen. Mit Lauten, die teilweise verdächtig nach "Jippieh!" klingen, stürzen sie sich auf ihre Beute, zerlegen Stadt und Umgebung und liefern dabei einige der absurd-komischsten Situationen, die ich jemals auf der Leinwand erleben durfte (was passiert, wenn sich ein hungriger Arachnoid auf einen ausgestopften Stierkopf stürzt, sollte man selbst gesehen haben). Dabei schwankt der Streifen dauernd zwischen Slapstick, schwarzem Humor und gelungener Parodie auf eine Vielzahl bekannter Filme der letzten Jahre, ohne dabei lediglich zur reinen Nummernshow zu verkommen. Zitiert wird so einiges, wobei manches eher versteckt, manches offensichtlich präsentiert wird. Für den Genre-Fan ist es natürlich ein Vergnügen, die Anspielungen zu suchen - und er wird reichlich fündig[1]. Den Charme, den der Streifen dabei entwickelt, ist in Ansätzen mit (dem unterschätzten) "Tremors" vergleichbar. In "Tremors" war die Bedrohung allerdings wesentlich subtiler, während "Arac Attack" mehr auf die bildliche Wirkung seiner eigentlichen Monster-Helden setzt (wobei ich mich teilweise gefragt habe, ob in bestimmten Szenen eine Hommage an eine Hommage herbeigeführt wird, wenn etwa die Einwohner angewiesen werden, sich äußerst ruhig zu verhalten, weil Spinnen ähnlich wie die 'Tremors' durch Geräusche angelockt werden).
Die Logik bleibt natürlich auf der Strecke, denn Spinnen sind im allgemeinen Einzelgänger und arbeiten - zumal unterschiedlicher Arten entstammend - kaum so gut zusammen wie in "Arac Attack", in dem eine Tarantel den Weg für die Mitstreiter freimacht. Zudem weisen manche Spinnen im Film zumindest im Ansatz geradezu menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen auf, die so selbstverständlich kaum in der Natur vorkommen. Dies tut dem Film jedoch keinen Abbruch, wird sich doch keineswegs bemüht, auch nur annähernd ein realistisches Bild einer Riesenspinneninvasion zu zeichen. Ganz klar steht der kindhafte und geradezu anarchistisch anmutende Spaß an der Zerstörung im Vordergrund; das Spiel mit dem Ekel vor den Arachnoiden ist lediglich Beiwerk, obwohl zumindest eine Szene hart an der Kotzgrenze schrammt[2]. Auf richtige Splattersequenzen wird übrigens verzichtet, wären meiner Meinung nach aber auch unnötig. Das Argument eines Namensvetters von mir, der behauptete, "Arac Attack" würde seine 'harten' Sequenzen durch unnötige komödiantische Einlagen entschärfen suchen im Hinsicht auf eine niedrige Freigabe, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen, weil der gesamte Film nun einmal auf den Spaß ausgerichtet ist - ganz im Gegenteil zu jenen modernen Produkten, deren 'Selbstironie' lediglich aufgesetzt wirkt, um den Kontext vorangegangener Szenen zu entschuldigen[3].
Roland Emmerichs Trickschmiede hat sehr gute Arbeit bei der Erschaffung der "eight legged freaks" geleistet. In einzelnen Szenen merkt man den Viechern zwar ihre digitale Herkunft an, was jedoch bei der Art der Inszenierung kein Manko darstellt, denn was wäre ein gelungener Trashfilm ohne manchen durchschaubaren Spezialeffekt? Wie groß der Part von Emmerich bei der Fertigstellung des Streifens wirklich war, kann ich nicht beurteilen. Gegen eine größere Einmischung des deutschen Regisseurs spricht die Originalität des Streifens sowie die Leichtigkeit der Inszenierung, die ich bei Emmerich so nie wahrgenommen habe. Die typische Zerstörungswut ist zwar da, wird aber niemals in den Ausmaßen wie in "Independence Day" oder "Godzilla" zelebriert, sondern eher beiläufig präsentiert. Zudem transportiert der Streifen nicht mal annähernd irgendeine pathetisch erscheinende Botschaft, sondern vermeidet jede auch nur peinliche Gefühlsmanipulation[4].

"Arac Attack" ist (trotz der eher verhaltenen ersten halben Stunde) der gelungenste neuere Partyfilm, den ich in letzter Zeit gesehen habe. Wer einen ernsthaften Beitrag zum Horrorfilm oder einen spannungsgeladenen "Aliens"-Klon erwartet, sollte allerdings zu Hause bleiben. Der Streifen ist eher für ein Publikum gedacht, das sich bei sinn- und hirnlosen Beiträgen wie "Attack of the Killer Klowns" oder "Army of Darkness" hilflos auf dem Boden kugelt, während ihnen jene bemitleidenswerten Zeitgenossen, die nicht den geringsten Sinn für absoluten Trash haben, kopfschüttelnd zusehen und erbost den Filmsaal verlassen, dabei Worthülsen wie "überflüssig", "unlogisch" und "Schwachsinn" vor sich herbrabbelnd - was es natürlich auch trifft, jedoch nicht in jedem Zusammenhang eine Abwertung darstellt. Von mir bekommt der Film eine Bewertung von 4 von 5 möglichen Bierdosen und weitere 5 Sympathiepunkte von 'Lapidara Irispupilla' (mein neues Haustier, nach einer Idee von Thomas "Jodo" Neitz benamst) für die Darstellung seiner 'Monster'.

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[1] So erinnert die Belagerungsszene im Einkaufszentrum wohl nicht zufällig an "Dawn of the Dead", während der Ansturm der Monster außen direkt aus "Starship Troopers" entlehnt scheint. Mit Hockeymaske und Kettensäge wird sich gegen die Gefahr erwehrt, die schon mal aus den Flammen eines Tankwagens scheinbar unversehrt hüpft. Den fiesen Menschen, der sich von der Gruppe trennt und diesen zudem des Fluchtweges beraubt, habe ich ebenfalls noch gut aus einem sehr bekannten Streifen in Erinnerung, ebenso wie einen bestimmten Motorrad-Stunt.

[2] In einer Sequenz saugt ein Arbeiter mit Lungenkraft das Hindernis, das einen Wasserschlauch verstopft, heraus. Welcher Art dieser Propfen ist, kann sich der Leser mit Sicherheit vorstellen. Unangenehm, das!

[3] "Arac Attack" schert sich zudem wenig um die 'gerechte Bestrafung' von Bösewichtern. Der korrupte Bürgermeister darf überleben, auch wenn sein Einkaufszentrum schließlich untergeht, während der sympathische ältliche Barbier in einer urkomischen Szene eine Begegnung der besonderen Art mit einem zumindest kurzfristig ebenso sympathischen Achtbeiner mit seinem Leben bezahlt.

[4] Besonders die Szene, in der Chris seiner angebeteten Sam seine Liebe gesteht, macht dies deutlich. Statt für Gefühlsdusselei sorgt dieser Part für einige Lacher und wird ganz nebenher abgehandelt (inklusive Bemerkung von Chris: "Na, das war aber einfach!").


2002 Hannes Schwarz