Event Horizon
Original-Titel: Event Horizon
Herstellungsland: USA 1997
Regie: Paul Anderson
Buch: Philip Eisner
Darsteller: Laurence Fishburne
Sam Neill
Kathleen Quinlan
Joely Richardson

Vor sieben Jahren verschwand das mit einem experimentellen Antrieb ausgerüstete Raumschiff "Event Horizon" in den Tiefen des Weltalls. Wider jede Erwartung fängt man einen Funkspruch aus dem Orbit des Neptun auf, der von dem verschollenen Schiff stammt.
Eine Rettungsmannschaft in Begleitung des Entwicklers des Prototypen soll herauszufinden, was mit der Besatzung und dem Schiff geschehen ist.

Auch wenn "Event Horizon" in der Zukunft spielt, ist der Streifen trotz Raumschiffen und der gezeigten fortschrittlichen Technologie kein Science-Fiction-Film, sondern ein klassischer Spukhaus-Grusler, der über weite Strecken an William Castle's "The Haunting of Hill House (Bis das Blut gefriert)" von 1963 angelehnt ist, wobei das Raumsschiff das "Haunted House" des Vorbildes ersetzt. Dabei profitiert der Film von dieser Verlagerung des Handlungsortes ungemein, denn einen isolierteren Ort als die Weiten des Weltraumes kann ich mir kaum vorstellen.

Bereits zu Anfang des Films zeigt die Kamera die bereits von der äußeren Form bedrohlich anmutende "Event Horizon" vor dem Hintergrund eines sturmgeplagten Planeten, umfährt das Raumschiff und schwebt durch verlassene, klaustrophobisch und surrealistisch wirkende Gänge, bis sie in der Kommandozentrale einen geschundenen, in der Schwerelosigkeit langsam rotierenden menschlichen Körper einfängt. Ein verzweifelter, gepeinigter Schrei beendet die Anfangssequenz.
Die beklemmende Atmosphäre, die diese Bilder vermitteln, wird über die gesamte Länge des Films durchgehalten: Nichts an Bord der "Event Horizon" erscheint vertraut oder gar anheimelnd; alles wirkt unmenschlich, kalt und bedrohlich - trefflich untermalt von dem hervorragenden Soundtrack, der orchestrale Klänge mit harten Techno-Beats vermischt.
 Dabei  lässt der Regisseur dem Zuschauer kaum eine Minute der Erholung, sondert bombardiert ihn mit erschreckenden Bildern und Geräuschen. Der Tonspur wurde dabei erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt: Kaum wähnt man sich ein wenig in Sicherheit, wird man durch ein Geräusch aufgeschreckt.
 Trotz der FSK-Freigabe ab 16 Jahren enthält der Film einige Splatter-Effekte, die in ihrer Intensität kaum zu überbieten sind. Obwohl diese grotesk erscheinenden Bilder teilweise nur für Sekunden zu sehen sind, brennen sie sich gerade deshalb in die Erinnerung ein und werden durch die eigene Phantasie noch übersteigert. Zusammen mit der extrem klaustrophobischen Stimmung, dem hypnotischen Score und den stilisierten Bildern ergibt sich eine Mischung, die zwar klar auf den äußeren Effekt abzielt, jedoch damit genau bei einigen Zuschauern einen Nerv getroffen hat.

 Leider wurde über dem formalen Aspekt die Story vernachlässigt. Kritiker bemängelten, daß ausschließlich klassische Vorbilder kopiert und unzureichend neu zusammengesetzt wurden. Ferner warf man dem Film vor, mit äußerst billigen Effekten zu arbeiten (wie z. B. dem erwähnten exzessiven Einsatz der Tonspur). Beide Kritikpunkte haben ihre Berechtigung; allerdings übersieht man dabei, daß "Event Horizon" nur ein Ziel hat: dem Zuschauer eine Heidenangst einzujagen. Zumindest bei mir hat der Streifen dieses Ziel erreicht. Ich kann mich nicht erinnern, bei einem anderen Film jemals so oft zusammengezuckt zu sein - von den merkwürdigen Träumen nach dem Film ganz zu schweigen.

 Wer mehr als einen reinen Angst-Film erwartet, wer sich nicht auf die Manipulation der Macher einlassen möchte oder eine schlüssige Story mit einer Auflösung, die jedes Detail erklärt, voraussetzt, sollte dem Streifen fernbleiben. So sind mir auch nur vollkommen gegenteilige Kritiken zu dem Film bekannt: Entweder wurde er total verrissen oder in den höchsten Tönen gelobt.
 Es gibt meiner Meinung nach nur zwei Arten, wie man "Event Horizon" geniessen kann: Entweder im Kino mit entsprechend ausgestatteter Soundanlage oder allein zu Hause nachts vor dem Fernseher mit Kopfhörern bzw. - bei toleranten Nachbarn - mit Surround-Equipment bei entsprechendem Pegel.

 Noch ein Wort zum Soundtrack: Der Score ist durch eine Zusammenarbeit zwischen Michael Kamen und Orbital entstanden. Michael Kamen hat u. a. die Klassik-Parts für Metallicas "S&M" komponiert und dirigiert und war für die orchestrale Begleitung in Pink Floyds "The final cut" (des letzten "richtigen" Albums der Band vor dem Ausstieg Roger Waters') verantwortlich. Die Elektronikspezialisten von Orbital sind der eher innovativen 'Techno'-Sparte zuzuordnen - vergleichbar etwa mit Prodigy oder den Dust-Brothers. Der Soundtrack ergibt ein homogenes Bild, in dem weder der Elektronik- noch der orchestrale Part störend oder aufgesetzt wirken. Zwar fehlt der Komposition ein durchgängiges Thema, trotzdem wirkt er auch ohne die Filmbilder (und kann bereits für eine Gänsehaut oder nervöses Umschauen sorgen).


1999 Hannes Schwarz