Final Fantasy: Die Mächte in Dir
Original-Titel: Final Fantasy: The Spirits within
Herstellungsland: Japan / USA 2001
Regie: Hironobu Sakaguchi
Buch: Al Reinert
Hironobu Sakaguchi
Jeff Vintar
Stimmen: Ming-Na
Alec Baldwin
Ving Rhames
James Woods
Steve Buscemi
Donald Sutherland

Traum: Ein fremder Planet. Eine gnadenlos erscheinende endlose Wüste. Ein paar verkrüppelte, lang schon verstorbene Bäume scheinen mit ihren verstümmelten, aufragenden Ästen den Himmel anzuflehen, ihrem endlosen Leiden ein Ende zu bereiten. Vom Himmel schleudert eine gnadenlose Sonne ihre nicht mehr wärmenden, sondern nur noch versengenden und todbringenden Strahlen haßerfüllt gen Boden. Kein Laut ist zu hören; kein Windgeräusch bricht die unnatürliche Stille auf. Plötzlich ein Grollen wie ferner Donner, der weit hinter dem Horizont zu erklingen scheint. Dann, langsam, schwillt das Geräusch an, wird zum Stampfen tausender nichtmenschlicher, nichttierischer Füße. Eine Armee alptraumhafter Gestalten rast auf den Ort zu, an dem ein einsames menschliches Wesen vor Grauen erstarrt auf ihre Ankunft wartet. Die Armee aus Fleisch, Stahl, Haß - untrennbar und nicht mehr unterscheidbar verbunden - rollt auf den einen Punkt in der Landschaft zu, an dem sich endlich die unbändige Gewalt Bahn brechen kann.

Realität: Dr. Aki Ross wacht auf. Seitdem sie mit einem der unsichtbaren Phantome in Berührung gekommen ist, die vor Jahrzehnten mit einem Asteroid auf die Erde gestürzt sind, hat sie diese merkwürdigen Träume aus einer anderen Welt. Die Botschaft dahinter bleibt ihr verschlossen. Sie weiß nur, daß die Erde seit der Ankunft dieser vermeintlichen Aggressoren fast unbewohnbar geworden ist, denn jede Lebensform, die mit den Phantomen in Kontakt kommt, wird vernichtet. Die einstmals stolzen Großstädte sind verfallen; zerstört; erinnern an 'Ground Zero' bei Nacht. Überleben ist nur noch innerhalb spezieller Schutzkuppeln möglich, die die Menschen einschließen und die unbekannten Invasoren abwehren. Die einzige Hoffnung auf Rettung scheint in acht unterschiedlichen Energieformen zu liegen, die aus lebenden Wesen extrahiert werden müssen und zusammengenommen eine Wellenform ergeben, die die Eindringlinge neutralisieren könnte. Eine unvollständige Version dieser Welle schließt mit Hilfe einer Brustplatte die Lebensform, die Aki infiziert hat, in ihr ein. Viel Zeit bleibt ihr nicht mehr, um sich und den Rest der Welt vor der Vernichtung zu retten.

Traum: Riesige Schlachtschiffe erheben sich in die brennende Luft. Zwei Armeen prallen mit unglaublicher Wut aufeinander. Haß darf sich endlich in Gewalt entladen. Wer nicht durch die todbringende Macht der Waffen fällt, wird niedergetrampelt; aufgeschlitzt; mit bloßen Klauen zerquetscht. Nichts und niemand - nicht einmal ein trauernder Gott - scheint diesem sinnlosen Gemetzel Einhalt gebieten zu können. Trotzdem halten die Repräsentanten des fleischgeworden, stahlgewordenen Hasses inne. Mit grenzenlosem Entsetzen starren sie auf den Horizont. Der zuerst unsichtbare Tod manifestiert sich in einem Feuersturm, der alles verbrennt, vernichtet. Der Haß weicht tiefer Verzweiflung, Trauer - bis grauenhafte, unvorstellbare Schmerzen auch diese Gefühle auslöschen. Es gibt jedoch keine Vergebung, kein Vergessen, kein seliges Auslöschen für den Rest aller Zeiten - was bleibt, ist ewigwährender Schmerz und der Zustand der absoluten Angst.

Realität: Während einer Mission, in der Aki eine der acht Energieformen inmitten der Ruinen von New York City aufspürt, trifft sie auf ihren ehemaligen Freund Gray, der Anführer einer Spezialeinheit ist. Ihr väterlicher Freund Dr. Sid warnt sie vor einer Romanze, die sie nur von ihrer Aufgabe ablenken würde. Aki winkt ab; niemand sei mehr jung, entgegnet sie ihm. Dr. Sid unterichtet sie von seinen Glauben an die Macht 'Gaia', zu der jedes lebende Wesen zurückkehre, wenn es stirbt. Durch die Erfahrungen des Wesens könne 'Gaia' sich weiterentwickeln und damit neue Lebensformen hervorbringen.
General Hein glaubt nicht an 'Gaia' und die Arbeit der Forscher. Mit Hilfe der Orbitalkanone "Zeus" will er die Angreifer auslöschen; allerdings gibt man ihm keine freie Hand. Um seinen Plan umsetzen zu können, ist ihm jedes Mittel recht - auch wenn das bedeutet, Aki und ihre Verbündeten zu vernichten.

Kritik: Apokalyptisches Thema, bombastische Bilder, eigenwillige Präsentation, dreidimensionale Protagonisten mit eindimensionalem Charakter - so in etwa lässt sich die vom Publikum fast völlig ignorierte Revolution des Animationsfilms auf den Punkt bringen.

"Final Fantasy" zeigt eine düstere Zukunftswelt, in der der Begriff "Freude" längst zu einem Fremdwort geworden ist. Die einstmals pulsierenden Metropolen sind zu staubigen Grüften geworden; die üppigen Landschaften zu bizarr erscheinendem Ödland verkommen. Genauso kalt und leer wirken die Zentren unter den Schutzkuppeln, die das Überleben der menschlichen Spezies sichern sollen. Für Phantasie, Ausdruck- oder Gestaltungsfreude bleibt da kein Platz; an ihre Stelle ist simple Funktionalität getreten. Stahl, Plastik, Glas bestimmen das Bild. Kein Gemälde ziert die Gänge, kein Baum die Straßen, nicht einmal Werbung flackert von den Fassaden (eventuell das deutlichste Anzeichen, wie sehr sich die Welt verändert hat. Kulturell gesehen ist diese Gesellschaft absolut tot). Es scheint fast so, als hätten sich die Designer vorgenommen, in den Bildern, in denen die Zukunft beschrieben werden soll, symbolisch ihre Auffassung von Einsamkeit, Verlassenheit, Verzweiflung oder Tod zum Ausdruck zu bringen. Besonders berührt (allerdings von den Machern vollkommen unbeabsichtigt) haben mich dabei die Szenen, die das zerstörte New York zeigen. Die Abbilder der staubigen Straßen, in denen Autowracks vor zerborstenen Fassaden zu sehen sind, waren schmerzhaft nahe an Szenen, die man erst kürzlich in der Realität zu sehen bekam.
Die surrealistische Ausgestaltung von Akis (Alp-)Träumen passt denn auch perfekt zur sonstigen Gestaltung, auch wenn sie mit Sicherheit nicht den Geschmack jedes Zuschauers treffen wird. Diese Traumbilder geben einen ersten Vorgeschmack auf die großen Action-Sequenzen, die noch folgen werden.
Wenn es nämlich in "Final Fantasy" loskracht, dann richtig. Ein Einsatz im Ödland außerhalb der Kuppel erinnert an "Starship Troopers"; spätere Fluchtszenen an "Aliens". Dabei ist es ein wenig verwunderlich, daß ein Animationsfilm in seinen Action-Szenen weniger realitätsfern und übertrieben (und damit unglaubwürdig) wirkt als so mancher Realfilm.
Hinter dem Bombast des Designs bleibt leider die (todtraurige) Story ein wenig zurück. Im Grunde ist die Geschichte sehr simpel, wird aber durch die Erzählstruktur "verkompliziert". Trotzdem ist sie originell (und wird konsequent erzählt, wobei sich die Vorhersehbarkeit in Grenzen hält). Eine Trennung nach einfachem "Gut und Böse"-Schema sucht man vergebens, selbst die Beweggründe des Gegenspielers in Form von General Hein sind nachvollziehbar. Hardcore-Realisten seien jedoch gewarnt: Der Streifen trägt nicht zufällig das Wort "Fantasy" im Titel. Zwar bleiben auch die mysthischen Aspekte innerhalb des vom Film kreiertem Universums in einem akzeptablen Rahmen, allerdings muß der Zuschauer Willens sein, sich auf die entworfene Weltanschauung einzulassen (wobei ich den in "FF" entworfenen 'Gaia-Glauben' für nachvollziehbarer halte als so manche andere populäre Religion).

Das große Manko des Films sind allerdings die Protagonisten, die sich als bekannte Stereotypen präsentieren. Wir finden hier den väterlichen Wissenschaftler, den Kommandanten mit Herz, den nie um einen lockeren Spruch verlegenen Sidekick, die knallharte Soldatenfrau etc. Sobald eine der Hauptpersonen auftritt, weiß man sofort, mit welchem Typ des "Homo cinemaniens" man es zu tun hat. Dazu kommt manch ärgerlich platter Dialog. Hätte man hier etwas sorgfältiger gearbeitet, wäre aus "Final Fantasy" mehr als ein nicht nur von der Präsentation und dem Grundkonzept der Story her außergewöhnlicher Film geworden. Eventuell wollten die Macher den typischen Kinogänger, der einfach gestrickte Zelluloidkost bevorzugt, nicht zu sehr verschrecken, wobei diese Zielgruppe meiner Ansicht nach trotzdem mit dem vorliegenden Film überfordert sein dürfte ("Final Fantasy" erfordert trotz der ausführlichen Bebilderung eine Menge Phantasie).

Eine wichtige Frage blieb noch unbeantwortet: Wie sieht es mit der Photorealität der Bilder aus? Was die Hintergründe betrifft, verschwimmen die Grenzen zwischen Computeranimation und herkömmlicher Darstellung (was kaum anders zu erwarten war, bestehen doch manche "Realfilme" zum Teil mehr aus computergenerierten Bildern denn aus photographiertem Material). Den Menschen sieht man allerdings ihre digitale Herkunft an. Viele Bewegungen wirken äußerst künstlich; ferner haben die Gesichter nur eine sehr eingeschränkte Mimik. Hier zeigt sich eindeutig, daß die moderne Technik noch lange nicht so weit ist, richtige Darsteller zu ersetzen. Ich kann dies dem Film aber nicht als Manko zurechnen, denn ich sehe "Final Fantasy" als reinen Animationsfilm (und als vorerst einmaliges Experiment, an dem sich Nachfolger messen werden müssen. Ich hatte übrigens das Glück, den Streifen zwei Menschen vorführen zu können, die nicht vorher wußten, daß sie eine reine Computeranimation sahen. Die eine Person (mein Vater) bequengelte das unnatürliche Aussehen der Gesichter und schob es auf ein merkwürdiges Make-Up, die andere (meine Mutter) entgegnete darauf, daß die Darsteller kaum Gefühlsregungen zeigten, andererseits aber etwas übertrieben. Sie waren beide sehr überrascht, als ich ihnen nach dem Ende des Films mitteilte, daß sie keinen menschlichen Personen zugeschaut hatten).

Eine abschließende Bewertung von "Final Fantasy" möchte und kann ich nicht abgeben. Als Fan von Computer-Animationen bin ich absolut voreingenommen. Ich bin geneigt, die Bilderflut des Films als wirkliche Kunst anzusehen (und ich möchte gar nicht wissen, wieviel Arbeit, Sorgfalt und Herzblut von seiten der Grafik-Artisten in die Entwicklung geflossen sind). Ferner erwischte mich der Streifen in einer absolut merkwürdigen und melancholischen Lebensphase, was mit Sicherheit dazu beigetragen hat, warum "Final Fantasy" der erste Film ist, den ich mir sofort nach dem ersten Sehen noch einmal angeschaut habe.

Die Bilder von "FF" muß man im Kino sehen. Auf Video und DVD verpufft einiges an Wirkung. Anzumerken wäre noch, daß die deutsche Synchronisation meiner Meinung nach unter aller Sau ist. Die Stimmen von Alec Baldwin, Donald Sutherland und James Woods sind nicht so leicht zu ersetzen.


2002 Hannes Schwarz