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Original-Titel: Heartbreakers
Herstellungsland: USA 2001
Regie: David Mirkin
Buch: Robert Dunn
Paul Guay
Steven Mazur
Darsteller: Sigourny Weaver
Jennifer Love Hewitt
Ray Liotta
Anne Bancroft
Gene Hackman

Maxine und ihre aufmüpfige Tochter Page sind professionelle Heiratsschwindler. Ihr Trick ist einfach: Max betört das Opfer so lange, bis es sie vor den Traualtar schleift. Kurz nach der Hochzeit verführt Page den armen Kerl, um von Max in einer eindeutigen Situation ertappt zu werden. Bei einem letzten Clou wollen beide so richtig absahnen: Max macht sich an den kettenrauchenden Milliardär (gnadenlos komisch: Gene Hackman) heran, während Page ihr Glück bei dem Barbesitzer Jack versucht.

Hollywood-Komödien sind meist nur bedingt komisch, vorhersehbar und seicht. Scharen von Drehbuchdesignern entwerfen am Reißbrett gefällige Geschichten, denen jeglicher Ansatz von Originalität oder Anstößigkeit ausgetrieben wird, bis nur eine hohle Blase übrigbleibt, die die oftmals prominente Besetzung vergeblich mit Leben zu füllen versucht. Als Klappentext für das Videocover reicht ein Standardtext, in dem nur die Professionen der handelnden Personen sowie die Örtlichkeiten der Handlung ausgetauscht werden müssen, um den Inhalt zu beschreiben. Regisseur David Mirkin hat sich mit "Romy und Michelle" perfekt in die Reihe der Macher von anspruchs- und unterhaltunswertfreien Massenproduktionen der Marke "Hochglanz-Komödie" eingeordnet. Entsprechend niedrig waren meine Erwartungen an sein neuestes Werk - und ich gebe es freimütig zu: Der einzige Grund, warum die DVD in meinen Player wanderte, war der auf dem Cover angegebene Name "Jennifer Love Hewitt", dessen Trägerin bisher weniger durch Talent denn durch perfektes Aussehen und einen Augenaufschlag, der selbst im abgeklärstem Zyniker den Beschützerinstinkt und tiefe Zuneigung weckt, aufgefallen ist.
Wie schön ist es, positiv überrascht zu werden: "Heartbreakers" ist wie die Coverversion der Coverversion eines ausgenudelten Songs, den man im Grunde nicht mehr hören kann, der aber aufgrund der Interpretation und einiger origineller Einfälle plötzlich wieder Spaß macht und den Hörer unweigerlich auf die Tanzfläche zieht. Die sonst so spröde Signoury Weaver wirkt überraschend fraulich und überzeugend in ihrer Rolle als Vamp, Ray Liotta gibt den liebenswerten Halbwelt-Trottel, während Gene Hackman als ekliger, vertrottelter, chronisch hustender und kettenrauchender Multimilliardär in jeder Szene saukomisch ist (besonders im Gedächtnis blieb mir eine Szene mit einem Papagei, der, von Hackman liebevoll mit einer brennenden Zigarette gefüttert, den Löffel ganz weit wegschmeißt - und natürlich seine saublöde Antwort auf Weavers Geplärre, die vorgibt, eine Russin kurz vor der Ausweisung zu sein: "Ich wollte Dir eigentlich einen Heiratsantrag machen, aber wenn Du weg mußt...").
JLH selbst hat einen absolut undankbaren Part, muß sie doch gegen gleich drei echte Hollywoodgrößen anspielen. Meiner Ansicht nach meistert sie ihre Aufgabe mehr als nur annehmbar, auch wenn ich oftmals durch ihr knappes Outfit zu abgelenkt war, um Feinheiten wie Mimik oder sonstige Ausdrucksstärke wahrzunehmen und mir zu diesem Thema eventuell eine Stellungsnahme verkneifen sollte. Konträr ihrer sonstigen Schema-F-Rollen darf sie in "Heartbreakers" eine eigentlich unerträgliche, die männliche Umwelt beschimpfende halbabgegrühte Göre mimen, die trotzdem sympathisch bleibt. In einem Interview erwähnte sie, daß sie sich wünsche, wenigstens einmal als "sexy" und nicht als "niedlich" bezeichnet zu werden. Du bist beides, Babe - Heiratsantrag erfolgt schriftlich. Unter der richtigen Anleitung kann aus Dir noch etwas werden (siehe Zulawski).

Selbstverständlich ist "Heartbreakers" keinesfalls ein Ausnahmeprodukt. Ohne Schmalz, Vorhersehbarkeit und moralischem Zeigefinger geht in der Traumfabrik nun mal nichts. Der versierte Zuschauer weiß, daß die Sache mit Liotta und Weaver nicht beendet sein kann. Sobald der Barkeeper auf JLH trifft, ist der Ausgang dieses Parts mehr als gewiß, das Ende der Geschichte nicht mehr als eine Formsache. Trotzdem ist der Film erstaunlich frech, in Teilen originell und wartet zudem mit manch makabrer Einlage auf, die man so nicht erwartet hätte, ohne allerdings jemals in die Untiefen des populären Kloakenhumors eines "Scary Movie" oder "American Pie" abzugleiten, so daß man zumindest das Gefühl vermittelt bekommt, auf einem etwas gehoberenem Niveau unterhalten zu werden. Ist es nicht erstaunlich, wie schnell expliziter "Toiletten-Humor", der durchaus auch mit Hilfe von Trey/Parkers brillianter TV-Serie "South Park" etabliert wurde, von der Provokation zum Klischee verkommt, so daß ein Produkt, das wesentlich subtiler und altmodischer mit seinen Mitteln umgeht, plötzlich als "angenehm zurückhaltend" eingestuft werden kann?
Annähernd subversiv im Kontext des modernen amerikanischen A-Kino erscheint es, daß JLH eine Raucherin darstellen darf, auch wenn ihr dieses Laster durch das negative Vorbild des Gene-Hackman-Charakters - einer Art Antiwerbung für den Raucher schlechthin - nachhaltig ausgetrieben wird. Im Grunde ist das Hollywood-Moral in Reinform, indem bestimmte Themen nur noch indirekt angesprochen werden, ohne sie konkret zu thematisieren.

"Heartbreakers" ist der richtige Film für eine warme Sommernacht, um, nachdem man die existentielle Baskenmütze im Schrank verstaut, das Cineastentrüffelschweinchen[tm] nach Fütterung in seinem Verschlag in den Schlaf gesungen und die langen Haare zum Zopf zusammengebunden hat, auf dem Sofa Platz zu nehmen, bei offenem und hoffentlich mücken- als auch sonst ungezieferabwehrend präparierten Fenster eine Flasche Wein zu öffnen und den Tag anspruchsfrei und vergnüglich ausklingen zu lassen.


2002 Hannes Schwarz