Original-Titel: | Scanners |
Herstellungsland: | Kanada 1981 |
Regie: | David Cronenberg |
Buch: | David Cronenberg |
Darsteller: | Stephen Lack
Patrick McGoohan Michael Ironside |
[Die Anmerkungen, auf die die Zahlen in eckigen Klammern verweisen, müssen nicht unbedingt gelesen werden, um die Kritik zu verstehen. Dort greife ich Aspekte oder Szenen des Films auf, um meine Ansicht zu verdeutlichen. Allerdings wird in den Anmerkungen massiv gespoilert!]
David Cronenberg, berühmt-berüchtigt für seine blutig-grotesken
Werke, in denen oftmals die Auswirkungen der modernen Technik bzw. Forschung
auf den Menschen thematisiert werden, schuf mit "Scanners" einen frühen
Höhepunkt seines Schaffens. In düster-depressiven Bildern wird
fast elegisch langsam eine Story präsentiert, die, statt ausschließlich
auf den äußeren Effekt abzuzielen, ihre Protagonisten in den
Mittelpunkt stellt und die Schattenseiten einer Gabe, die manchem als erstrebenswert
erscheinen möchte, herausarbeitet. Cronenbergs "Scanners" sind keine
strahlenden Superhelden, sondern gebrochene Charaktere, die aufgrund des
Lärms, den die "Stimmen" in ihrem Kopf verursachen, kaum in der Lage
sind, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln und beständig
die Schwelle zum Wahnsinn zu überschreiten drohen. So ist auch Revok
nicht der stereotype eindimensionale Bösewicht, sondern ein Produkt
von skrupellosen Forschern, die zwecks Erschaffung der perfekten Waffe
jedes humanistische oder sonstige ethische Prinzip außer acht lassen.
Vale hingegen entspricht kaum dem bekannten Bild des Undercoveragenten,
der es mit einer die gesellschaftlichen Werte bedrohenden Organisation
aufnehmen muß. Sein Auftrag, Revok aufzuspüren und zu töten,
gerät mehr und mehr zur persönlichen Suche nach den eigenen Wurzeln
und einem Platz innerhalb einer Gesellschaft, zu deren Mitgliedern er sich
aufgrund seiner Andersartigkeit nicht zugehörig fühlt. Das gorig-spektakuläre
Ende, das für die Maskenbildner wegweisend war, ist in mehrere Richtungen
deutbar und keineswegs beruhigend[1].
Obwohl "Scanners" einer der kommerziellsten Filme im Werke Cronenbergs
ist, verzichtete der Regisseur und Autor nicht gänzlich auf die blutigen
Einlagen, die ihn bei der eher konservativen Kritik (hier verweise ich
vor allem auf "Zwergenhirn" Dr. Rolf Giesen, der in einer "Rezension",
die diesen Namen kaum verdient hätte, Cronenberg als "Muttersöhnchen"
bezeichnete und zu allem Überfluß mit Himmler verglich. Die
Inhaltsangabe im "Lexikon des Science-Fiction-Films", dessen Autoren Hahn/Jansen
dem modernen Horrorfilm überhaupt nicht zugeneigt sind, strotzt übrigens
nur so von peinlichen Fehlern) in Verruf gebracht haben. Dabei ist vor
allen Dingen eine Szene zu Anfang des Films erwähnenswert, die in
ihrer Intensität unerreicht ist und zudem zu den bekanntesten Schlüsselszenen
des Splattergenres zählt (wer leicht zu erschrecken ist und obendrein
einen relativ schwachen Magen hat, sollte den Film schon aufgrund dieser
Einstellungen meiden). Dabei dient dieser Ekeleffekt keineswegs, wie manche
Kritiker anmerken, dem reinen Selbstzweck, sondern macht dem Publikum unmißverständlich,
nachhaltig und äußerst effektiv klar, welche Macht ein "Scanner"
besitzt und welche Bedrohung er wirklich darstellt[2].
Jedesmal, wenn in der Handlung nach diesem Schockmoment die beunruhigenden
Klänge einsetzen, die Cronenberg benutzt, sobald seine "Scanners"
ihre Macht einsetzen, ist man fast gewillt, sich die Augen zuzuhalten und
schreckhaft durch die Fingerspalten zu linsen, weil man ähnlich unappetitliche
Bilder befürchtet. Auf diese Weise geriet "Scanners" nicht nur zu
einem bemerkenswerten Beitrag zum Genre der "Science-Fiction", sondern
darf trotz der ruhigen Erzählweise auch zu den reinen Nervenzerrern
gerechnet werden.
Zu den Stärken des Filmes neben den hervorragenden Effekten und
den überzeugenden Darstellern gehört die musikalische Untermalung
von Cronenbergs Haus- und Hof-Komponisten Howard Shore. Das von ihm geschaffene
Hauptthema ist zugleich einfach, wunderschön und trotzdem - den Bildern
des Filmes entsprechend - verstörend und melancholisch stimmend.
Was mich davon abhält, "Scanners" als Meisterwerk seines Genres
einzuordnen, liegt in dem niedrigen Budget begründet. Leider sieht
man dem Streifen in Teilen die geringen Mittel, die den Machern zur Verfügung
standen, an. Der Zuschauer sollte weder die formale Perfektion eines "Schrecken
der Medusa" noch aufwendige Tricksequenzen wie in "Teufelkreis Alpha"
- beides Filme mit einer ähnlichen Thematik - erwarten, bekommt dafür
jedoch die typischen Markenzeichen des vom Gedanken an den Tod faszinierten
Cronenbergs in Form einer ruhigen, dennoch intensiven Erzählweise
geboten, die mit beiden Fetischen des Regisseurs - zum einen grotesk anmutende
Splattereinlagen (die laut Regisseur dazu dienen, dem Betrachter sein eigenes
Körperinneres nahezubringen und zu verdeutlichen, daß die Innereien
ebenfalls zum Menschen dazugehören und keineswegs abstoßend
sind); zum anderen der Thematik der totalen Entmenschlichung bzw. Veränderung
der Gesellschaft durch moderne Technik - aufwartet.
"Scanners" ist Cronenberg "at his best". Wer einen Einstieg zum Werk
dieses Regisseurs und Autors sucht, sollte mit "Scanners" beginnen, da
dieser wesentlich professioneller und zugänglicher erscheint als seine
früheren Werke (und auch manches, was danach kam - mit "Crash" beispielsweise
kann ich überhaupt nichts anfangen). Seine statischen, düsteren
Bilder mögen nicht jedermanns Sache sein, trotzdem gehört er
zu den interessantesten Filmemachern der modernen Filmgeschichte, dessen
morbide, blutige Erzählungen weit über das normale Maß
des Horrorfilms hinausgehen und meist genügend Ansätze zur Interpretation
bieten. Cronenberg ist im Bereich des phantastischen Films längst
zu einer Ikone geworden, der selbst Idole wie Clive Barker huldigen. "Scanners"
- von einem Regisseur geschaffen, der laut eigener Aussage kein echtes
Blut sehen kann - zeigt meines Erachtens zumindest in Ansätzen, warum
dem so ist.
Die Fortsetzungen von "Scanners" kann man sich übrigens sparen,
da sie weder die düstere Grundstimmung des Originals treffen noch
die Intentionen von Cronenberg fortführen; sie sind lediglich durchschnittliche,
schnell vergessene Horrorkost.
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[1] Man kann annehmen, daß die beiden unterschiedlichen
Brüder, bei denen einer für das "gute", der andere eher für
das "böse" im Menschen steht, zu einer Einheit verschmelzen. Eine
andere Lösung ist, daß Revok - wie angekündigt - die Persönlichkeit
seines Bruders aufsaugt, während Vale genau das gleiche tut, dabei
aber seinen Körper verbrennt. Ob wirklich nur der "gute" Bruder im
Körper des "bösen" überlebt, halte ich angesichts des düsteren
Tons des Films für fraglich - Cronenberg wollte mit Sicherheit kein
schnödes "Happy-End" servieren. Es bleibt noch eine dritte Möglichkeit:
Revok hat sein Ziel erreicht und spielt sowohl Kim als auch dem Zuschauer
nur vor, er wäre Cameron Vale. In jedem Fall bleibt die Bedrohung
durch eine unüberschaubare Menge an ungeborenen "Scannern" für
die Gesellschaft bestehen - Vales scheinbarer Sieg ist nur von temporärer
Dauer.
[2] Diese Szene wirkt natürlich am effektivsten auf Zuschauer, die bisher nicht allzu viele Splattereffekte zu sehen bekommen haben. Der Aufbau ist brilliant: Revok, der bisher nicht als Bösewicht vorgestellt wurde, erklärt sich in einem Experiment bereit, sich von einem harmlos wirkenden Brillenträger "scannen" zu lassen. Die unheimlichen Geräusche, die man bereits vom Anfang des Filmes kennt, setzen ein und steigern sich immer mehr zu einem eindringlichen Stakkato, während dem Zuschauer allmählich klar wird, daß Revok keinesfalls nur ein harmloser Passant ist. Während man erwartungsvoll und gespannt wartet, was als nächstes passiert, steigert sich das Geräusch zu einem hohen, durchdringenden und nervtötendem Gewinsel, auf dessen Höhepunkt unerwartet der Kopf des Brillenträgers in alle Richtungen auseinanderplatzt - das kann auf manche Zuschauer wie ein Tritt in die Magengrube wirken (tricktechnisch ist die Szene übrigens keinesfalls leicht zu durchschauen - selbst in Zeitlupe wirkt das Ganze noch äußerst realistisch). Leider ist dieser Ausschnitt schon so bekannt, daß "Scanners" als "der Film, in dem der Kopf platzt", von manchen Leuten erwähnt wird. Je unvorbereiteter der Zuschauer ist, desto wirksamer ist dieser Schockeffekt und bleibt über den ganzen Rest des Filmes erhalten. Sicherlich hätte Cronenberg in diesem Augenblick einen wesentlich weniger unapetitlichen Weg wählen können; auf diese Weise ist jedoch vollkommen klar geworden, daß die Telepathen nicht nur eine abstrakte Gefahr darstellen, die mittels irgendwelcher Gedankenwellen das Herz zum Stillstand bringen, sondern äußerst unangenehm werden können.